Der Hintergrund: Wie kam es zu der Idee, dieses Projekt ins Leben zu rufen?

Zeitgenössischer Tanz ist eine Tanzform, die sich von traditionellen Techniken löst und ein breites Spektrum an Bewegungsstilen, körperlichem Ausdruck und kreativen Ansätzen einsetzt. Er entwickelte sich vor rund 100 Jahren als Reaktion auf die Einschränkungen des klassischen Tanzes und spiegelt zeitgenössisch kulturelle, soziale und ästhetische Entwicklungen wider.

Zeitgenössischer Tanz – wie auch zeitgenössische Kunst im Allgemeinen – kann mitunter auf Vorbehalten im Publikum stoßen, das vielfach mit festen Regeln, klaren Strukturen und traditionellen Ausdrucksformen vertraut ist und sich in der Offenheit und Vielschichtigkeit des zeitgenössischen Schaffens zunächst orientieren muss.

Schon seit Beginn meiner choreographischen Laufbahn begleiten mich folgende zentrale Fragen:

Wie können wir zeitgenössischen Tanz so vermitteln, dass Menschen sich nicht davor scheuen, sondern neugierig werden?

Wie können wir Barrieren abbauen, Türen öffnen und echte Begegnungen ermöglichen?

In den ersten Jahren meiner beruflichen Tätigkeit entwickelte ich dazu spezielle Vorgehensweisen im Rahmen des Post-Show-Talk wie beispielsweise meine Schlüsselbund-Methodik, die ich seither anwende, oder speziell entwickelte Publikationsformate zur Vermittlung von Tanzstücken.

Hiervon ausgehend wurde die Idee entwickelt, diese Leitgedanken, Ziele und Intentionen zu einem eigenen Programm auszubauen – Mat Iech war geboren. 

Seitdem ist viel passiert. In nur drei Jahren haben wir im Rahmen dieses Programms 43 Veranstaltungen – vor allem in Luxemburg und der Großregion umgesetzt, aber auch in Schottland und in Deutschland. 

Mat Iech auf Tour

Mat Iech ist unser Programm für Vermittlung und Zugänglichkeit im Tanz.

Es basiert auf zwei zentralen Säulen:

Was? – Zugänglichkeit

Wir bringen Tanz dorthin, wo Menschen sonst kaum Zugang dazu haben – sei es aufgrund von Alter, Krankheit, Sprache, Herkunft oder sozialen Umständen.

Unsere Kompanie tritt in Seniorenheimen, ländlichen Regionen, sogenannten sozialen Brennpunkten, Krankenhäusern und Kinder- und Jugendhäusern auf. Die Formate, die wir anbieten sind flexibel und auf die Bedürfnisse des jeweiligen Publikums zugeschnitten – oft mit Live-Musik, immer mit einem offenen Herzen.

Wie? – Vermittlung

Zu jeder Bühnenproduktion entwickeln wir ein maßgeschneidertes Vermittlungsprogramm, ein speziell auf das jeweilige Publikum ausgerichtetes Event, welches von Publikumsgesprächen auf Basis der sogenannten Schlüsselbund-Methode über kreative Workshops bis hin zu Publikationen für bestimmte Zielgruppen ausgerichtet, mit spielerischen Rätselformaten, in Auftrag gegebenen Gedichten und Interviews mit dem künstlerischen Team.

Dieses vielfältige Repertoire an Methoden setzen wir zielgruppengerecht und situationsbezogen ein – stets mit dem Anspruch, Tanz erfahrbar und zugänglich zu machen.

Wie wir arbeiten?

Mat Iech – Tanzstücke für besondere Räume und Begegnungen

Im Rahmen von Mat Iech adaptieren wir unsere ursprünglich für die Bühne konzipierten Tanzstücke für kleinere und oft ungewöhnliche Spielorte.
Das bedeutet:

Wir passen Inhalte und Formate flexibel an – sowohl an die räumlichen Bedingungen als auch an die Menschen, denen wir begegnen. Wir verkleinern Besetzungen, gestalten individuelle Veranstaltungsformate und entwickeln kreative Settings, die auf den jeweiligen Kontext abgestimmt sind.

Dabei arbeiten wir ressourcenschonend und mobil: Unsere Produktionen lassen sich mit relativ geringem Aufwand transportieren und schnell aufbauen. 

Jede Veranstaltung ist einzigartig: Wir hören zu, reagieren situativund laden Menschen aktiv ein, Tanz als gemeinsame, lebendige Erfahrung zu erleben.

Unser Ziel ist es, einen echten Berührungspunkt zu schaffen – einen Moment, in dem Tanz einen Zugang eröffnet.

Nach unseren Vorstellungen suchen wir bewusst das Gespräch mit dem Publikum. 

Wir stellen Fragen wie:

Was hat Sie berührt? Welche Gedanken oder Erinnerungen sind aufgetaucht? Welche Bilder oder Gefühle haben sich gezeigt?

Dabei ist es mein Anliegen, den Zuschauer*innen zu vermitteln: Alles, was Sie gesehen, empfunden oder assoziiert haben, ist richtig. Und wichtig.
Denn viele Menschen haben Berührungsängste mit zeitgenössischem Tanz – aus Sorge, ihn „nicht zu verstehen“. Um dem entgegenzuwirken, beginne ich Gespräche oft mit dem Hinweis, dass diese Begegnungen ein Geschenk für uns sind. Es gibt kein Richtig oder Falsch – nur individuelle Erfahrungen.

Das Publikum lernt voneinander, wenn es seine Eindrücke teilt: Die eine sieht eine Schnecke, der andere eine Rakete. Jemand spürt Freude, jemand anderes Trauer – und genau das macht den Reichtum dieser Gespräche aus. Denn Tanz spiegelt sich in so vielen Augen – und jede Sicht ist ein Geschenk.

Diese intensiven Momente der Reflexion und des Austauschs sind nicht nur für das Publikum bereichernd, sondern auch für uns als Tänzer*innen und Kunstschaffende.
Denn oft arbeiten wir im geschützten Raum des Studios, fern vom direkten Austausch mit ganz unterschiedlichen Menschen. In der Begegnung mit dem Publikum spüren wir, was unsere Arbeit auslöst, wen sie berührt – und warum wir tun, was wir tun.

Vom Zuschauen zum Mitmachen – Tanzworkshops nach der Vorstellung

Im Anschluss an unsere tänzerischen Ausschnitte – die je nach Kontext und Zielgruppe und oftmals für Kinder- und Jugendliche unterschiedlich gestaltet sind (mal kurz, mal länger, mal Solo oder in der Gruppe, mit wechselnden Emotionen und dramaturgischen Akzenten) – bieten wir einen Tanzworkshop an.

Diese Workshops sind zentraler Bestandteil unseres Konzepts: Sie schaffen eine Brücke vom Erleben zum eigenen Tun.

Die Gestaltung des Workshops richtet sich stets nach dem Alter und den Bedürfnissen der jeweiligen Gruppe. 

Gemeinsam mit unseren Tänzer*innen erarbeiten die Teilnehmenden eine kurze Choreografie. Diese wird musikalisch begleitet – zum Beispiel mit Musik der United Instruments of Lucilin mit denen wir bereits intensiv zusammengearbeitet haben. Die Musik unterstützt die Atmosphäre und hilft, Emotion und Bewegung zu verbinden.

Am Ende entsteht ein gemeinsamer Moment – ein kleines geteiltes Kunstwerk, das zeigt: Tanz ist nicht nur etwas, das man anschaut – sondern etwas, das man selbst erleben kann.

Zum Abschluss unserer Veranstaltungen überreichen wir den Besucher*innen unsere eigens gestaltete Publikation.
Dieses Heft ist mehr als ein Programm oder Begleitmaterial – es ist ein vielseitiger Zugang zur Welt des Stücks, gedacht für ganz unterschiedliche Arten von Publikum. Und mit „unterschiedlich“ meinen wir nicht nur Alter oder Herkunft, sondern vor allem Interessen.

Deshalb enthält die Publikation Beiträge auf verschiedenen Ebenen:

  • Vertiefende Inhalte: Essays oder wissenschaftlich inspirierte Texte, die thematische Aspekte des Stücks aufgreifen und einordnen.
  • Literarische Zugänge: Wir geben regelmäßig Gedichte oder Kurzgeschichten in Auftrag, die sich künstlerisch mit den Inhalten auseinandersetzen.
  • Spielerische Elemente: Rätsel, Ausmalbilder, kleine Aufgaben – diese machen besonders Kindern Freude, aber auch Erwachsenen. Denn wir glauben: In jedem Menschen steckt ein Stück Kindheit.
  • Einblicke ins Team: Persönliche Fragen, Gedanken oder Anekdoten aus dem Produktionsprozess schaffen Nähe und laden zur Identifikation ein.

Diese Publikation soll das Erlebte verlängern – als Erinnerung, als Gesprächsanlass, als Möglichkeit, auch nach dem Stück weiterzudenken, weiterzuspielen oder weiterzufühlen.

In Seniorenheimen etwa geben wir bewusst auch die Rätsel- und Ausmalseiten aus – als Einladung zum Schmunzeln, zum Mitmachen, zum Wiederentdecken von einer spielerischen Kreativität. 

Final Words

Mat Iech ist nicht einfach einProgramm.

Es ist eine Haltung. Eine Einladung.

Ein Versuch, durch Tanz Beziehung zu schaffen – in einer Welt, die oft von Distanz geprägt ist.