SENSORIAL SYMPHONIES
Im Auftrag der Théâtres de la Ville de Luxembourg
Uraufführung – 27, 28, 30/09/2025 und 02/10/2025, Grand Théâtre de la Ville de Luxembourg
Dossiers
‚Natur ist Chaos in Bewegung. Biologisches Leben ist eine spiralförmige Diffusion von Möglichkeiten, fraktal in ihrer Fülle. Jeder Organismus und ganz gewiss jede Pflanze, stammt aus einem Evolutionsnetzwerks gruen- blaettriger Dinge, um dann weitere Variationen hervorzubringen. Sie alle verändern natürlich ihre Form, da all das niemals endet – außer wenn Pflanzen aussterben. Die Vielfalt wirkte endlos und unmöglich zu erfassen.’
– Zoë Schlanger –
ABOUT
Was wäre, wenn wir die Welt so fühlen könnten wie Pflanzen?
In Sensorial Symphonies begibt sich Elisabeth Schilling, Associate Artist der Les Théâtres de la Ville de Luxembourg, auf ein radikales Experiment – welches unsere Wahrnehmung der Existenz neu gestaltet. Vor der Kulisse von Sergei Rachmaninows ikonischem Klavierkonzert Nr. 2 – neu interpretiert und verwoben mit einer zeitgenössischen Komposition von Pascal Schumacher sowie den organischen Klängen der Plant Philharmonic – entfaltet sich ein Werk, das ebenso ambitioniert in seinem Umfang wie filigran in seiner Umsetzung ist.
Sensorial Symphonies lädt das Publikum zu einer immersiven, multisensorischen Reise ein, in der Pflanzen keine bloßen dekorativen Metaphern sind, sondern aktive Protagonisten. Diese nehmen mit ihren komplexen, miteinander verbundenen Systemen die Bühne ein. Die Choreografie ehrt die Weisheit des Pflanzenlebens – seine symbiotischen Beziehungen, seine Widerstandskraft und seine grenzenlose Anpassungsfähigkeit – und fordert uns auf, unseren Platz in einem gemeinsamen ökologischen Gefüge neu zu überdenken.
Das Stück geht über eine anthropozentrische Erzählweise hinaus und feiert Pflanzen sowohl als Subjekte als auch als Mitwirkende. Durch Berührung, Duft, Design, Sound und Bewegung werden wir ermutigt, nicht nur zu sehen, sondern auch pflanzlichem Leben nachzuspüren – und damit Aristoteles’ Vermächtnis herauszufordern, das Pflanzen auf die unterste Stufe des Seins reduzierte. Dies ist eine Politik der Wahrnehmung – ein Plädoyer für eine Aufwertung der natürlichen Welt in unserem kollektiven Bewusstsein.
Auch musikalisch beschreitet das Werk neue Wege:
Schumachers Komposition verbindet Rachmaninows unverwechselbare emotionale Tiefe mit minimalistischen, organischen Klängen pflanzlicher Herkunft. Der scheinbare Gegensatz zwischen Rachmaninows leidenschaftlicher Romantik und den subtilen, nicht-menschlichen Frequenzen der Plant Philharmonic erschafft eine Klanglandschaft, die so vielschichtig und komplex ist wie die Ökosysteme, die sie zu evozieren versucht. Die Kontraste sind bewusst gewählt – sie fordern uns heraus, Virtuosität neu zu denken: die Meisterschaft menschlicher Kunstfertigkeit im Verhältnis zur leisen, aber ebenso exquisiten Ausdruckskraft des Pflanzenlebens.
Von einem rein weiblichen Ensemble getanzt, spiegelt die Choreografie die nicht-hierarchischen, relationalen Strukturen der Pflanzenwelt wider. Die Tänzerinnen bewegen sich mit einer Fluidität, die der verteilten Organisation von Pflanzen entspricht – sie formen Muster des Austauschs, des Miteinanders und der Wechselseitigkeit. Gruppensequenzen entfalten sich wie Ökosysteme – voneinander abhängig, dynamisch und voller unsichtbarer Kräfte.
Doch Sensorial Symphonies scheut sich nicht vor den Widersprüchen, die es untersucht: Das Theater – ein menschengemachter Raum – steht in starkem Kontrast zur ungezähmten Vitalität der Natur. Elisabeth Schillings Werk umarmt diese Spannung und fragt, wie die langsame, weitläufige Zeitlichkeit der Pflanzen innerhalb der Dringlichkeit einer Live-Performance Ausdruck finden kann. Wie kann die Grenzenlosigkeit der Natur in den Rahmen eines Theaters gefasst werden? Diese Fragen, die in der Struktur des Werkes verwoben sind, fordern uns auf, unsere eigene Entfremdung von der natürlichen Welt zu hinterfragen.
Durch das vielschichtige Zusammenspiel von Musik, Bewegung und sensorischem Design verweigert sich Sensorial Symphonies einer einfachen Interpretation. Stattdessen lädt es zu einer tiefgreifenden, fast haptischen Auseinandersetzung mit seinen Themen ein. In Elisabeth Schillings Händen wird der Tanz zu einer ausgelassenen Musik der Natur – eine Erforschung, eine Transformation, eine neue Art, die Welt zu erfahren. Dies ist nicht nur eine tiefgründige Performance – es ist ein Akt der Wiederaneignung.